In Berlin-Weißensee sehen viele Bürger und vor allem Nutzer der BVG-Straßenbahn derzeit ein gewohntes Bild aus deutschen Großstädten: Baustelle. Nichts geht mehr auf der beliebten Linie im Nordosten der Bundeshauptstadt. Ein erfahrener Verkehrsbetrieb wie die BVG setzen in solchen Fällen natürlich auf einen Schienenersatzverkehr, der in der Regel mit Bussen gewährleistet wird. Doch wer die Berliner Straßen kennt, der weiß, dass das nicht unbedingt die beste Alternative ist: Im Durchschnitt benötigt ein Schienenersatzbus rund 20% mehr Zeit für eine geplante Strecke, da die zusätzlichen Busse den Straßenverkehr noch weiter verstopfen und oftmals sogar provisorische Bushaltestellen aufgebaut werden müssen, welche den Verkehrsfluss zusätzlich ausbremsen.
120 zusätzliche E-Scooter und E-Bikes im Einsatz
Kein Problem für clevere E-Scooter-Fahrer, welche die kurze Strecke schnell und elektrobetrieben auf dem örtlichen Fahrradstreifen zurücklegen. Das dachten sich nun vermutlich auch die Berliner Verkehrsbetriebe, sonst bekannt für ihre kreativen Marketingbotschaften und die gelben Waggons der Berliner U-Bahn. In Kooperation mit TIER, die ebenfalls in Berlin ansässig sind, ist ein Schienenersatzverkehr mit Hilfe von E-Scootern und den ebenfalls von TIER betriebenen türkisen E-Bikes entstanden.
Während auf der Straße Berliner Allee die schweres Gerät zugange ist, rollen abseits der Baustelle die elektrischen Gefährte zu ihrem Ziel. Insgesamt 120 Fahrzeuge möchte TIER anstelle der Bahnen M4, M13 und 12 zwischen Sulzfelder Straße und Antonplatz anbieten. BVG-Pressesprecher Markus Falkner sagt dazu: „Die Idee ist, damit trotz Bauarbeiten noch mehr Fahrgäste an die BVG zu binden, so dass weniger aufs Auto ausweichen.“ Wichtig für alle, die das Angebot nicht nutzen könne oder wollen: Ersatzbusse – man hat selbstverständlich an alle Menschen gedacht – fahren auf der Strecke natürlich trotzdem.
TIER erschließt mit Weißensee einen neuen Stadtteil
Win-Win-Situation für beide Unternehmen: Bislang ist TIER in Weißensee noch nicht aktiv. Bürgerinnen und Bürger können nun also auch vor Ort die Vorteile der E-Mobility in Anspruch nehmen und die Angebote ausprobieren. Die BVG entlasten die zusätzlichen Fahrzeuge natürlich bei der Bereitstellung von Buskapazitäten. Zusätzlich hat TIER angekündigt, die Nutzungsdaten des Pilotprojektes zur Verfügung zustellen, um Rückschlüsse ziehen zu können, wie gut die Alternative angenommen wird. Entsteht mehr Nachfrage als in vergleichbaren Stadtteilen, könnte man daraus interpretieren, dass E-Mobility die Stadt und ihre Bewohner auch in Baustellenzeiten entlasten kann.
Keine kostenlosen Fahrten möglich
Im regulären BVG-Ticket ist die Fahrt mit den TIER-Gefährten jedoch nicht enthalten. Es gelten die üblichen Preise: 1 € Freischaltgebühr und 19 Cent pro genutzter Minute. Vollgestellte Plätze und Gehsteige durch Fahrer, die sich nicht an die Regeln zum Abstellen von E-Scootern halten, sollen zusätzlich eingesetzte Mitarbeiter verhindern.